Mittwoch, 27. Juli 2022, Waldeckische Landeszeitung / Lokales
Virtuose Reise durch sechs Landschaften
„FisFüz“ begeistert Publikum in der Vöhler Synagoge mit Musik vom Schwarzen Meer
VON ARMIN HENNIG
Vöhl – Auf den Spuren der Musikkulturen rund ums Schwarze Meer begaben sich die Musikerinnen und Musiker der Gruppe „FisFüz“ in Quintettbesetzung bei einem Sommerkonzert in der ehemaligen Synagoge in Vöhl.
Das Förderprogramm „Neustart Kultur“ hatte den Auftritt ermöglicht. Zu den Richtlinien gehört allerdings auch ein Veranstalter, der dazu bereit ist, ins Risiko zu gehen. Von daher bedankte sich Anette Meye auch ausdrücklich bei Karin Keller für die Einladung.
Die Zuhörerinnen und Zuhörer wurden nicht nur mit frischen Klängen und vertrauten Harmonien belohnt, sondern bekamen ein kleines Weltmusikfestival mit unterschiedlichen Ensembles und Solisten als Zugabe, die sich für die Auftrittsmöglichkeit mit maximaler Spielfreude bedankten. Denn Mitgründer Murat Coskun brachte mit Tochter Malitka und und Sohn Yaschar auch die beiden anderen Mitglieder seines Percussionstrios mit, der Kanun-Virtuose Muhittin Kemal erweiterte zudem das Klangspektrum mit seiner Kastenzither. Insofern geriet die Tour ums Schwarze Meer ausgesprochen vielfältig und gelegentlich auch experimentell.
Der Auftakt in Vollbesetzung mit zwei bulgarischen Liedern in raschen Tempi, vertrackten Balkanrhythmen und voll mit expressiven Klarinettenläufen bis zum finalen Accelerando holte das Stammpublikum bei den Hörgewohnheiten ab. Anschließend begann das musikalische Abenteuer in wechselnden Besetzungen mit allerlei experimentellen Elementen oder auch Zumutungen.
Denn Murat Coskun eröffnete die Reise mit Wasserperkussion und Stimmungsbildern von Strand und Hafen und bot damit eine Improvisation, die in Free-Jazz-Regionen vordrang. Eine Episode, bei der sich das tiefste Grunzen der Bass-Klarinette an hellen Zitherakkorden rieb, während Rahmentrommeln rauschten und Shaker rasselten. Die virtuose Reise durch sechs Landschaften mit ihren Fischer-, Hirten- oder Liebesliedern erklang als Suite voll verblüffender Wendungen.
Die größte Geduldsprobe für das Publikum stellten allerdings die nahtlosen Übergänge dar, denn die Lücken für den Beifall für so viel Spielkunst wurden vor der Pause schmerzlich vermisst. Nach der Pause eröffnete die Auseinandersetzung russischen Kinder- und Kosakenliedern nicht nur größere Spielräume für Applaus, sondern auch Anknüpfungspunkte zur Klezmertradition und vertrauten Mustern.
In zahlreichen Soli reizte Anette Meye das vielfältige Klangspektrum von Alt- und Bassklarinette virtuos aus, das effektvolle Zusammenspiel des Percussionstrios, das ab und an durch den Rahmen der Zither zum Quartett erweitert wurde, ließ zumindest der Solistin am Blasinstrument ein paar Atempausen. Zum Finale stimmte Yaschar Coskun noch eine traurige Ballade an, deren Melancholie sich auch bei der Übernehme des Themas auf die Klarinette übertrug.
Für Standing Ovations bedankten sich die Musiker mit einer fulminanten Zugabe für die volle Kapelle.