Scharwinkel 04, ehemalige Synagoge


ehemalige Synagoge 24.05.2006 © Kurt-Willi Julius

13   Scharwinkel 4 - ehemalige Synagoge (in der Quelle Dolenschall irrtümlich als Nr. 2 bezeichnet)
Am 18.11.1938 hätte die mittlerweile zahlenmäßig stark verkleinerte jüdische Gemeinde das 1OOjährige Bestehen ihrer Synagoge begehen können. Doch die von den Nazis arrangierte „Reichskristallnacht" vom 9. auf den 10. November 1938 machte dieses Vorhaben zunichte.

Am Morgen des 7.11.1938 hatte in Paris der 17jährige polnische Jude Herschel Grynszpan ein Attentat auf den deutschen Legationsrat Ernst von Rath verübt. Am 9. November 1938 verstarb v. Rath an den Folgen seiner Verletzung. Am selben Tag fanden in allen Städten des Reichs Gedenkveranstaltungen an den gescheiterten Putschversuch vom 9. November 1923 - Marsch auf die Feldherrenhalle - statt. Den Tod v. Raths nahmen die Nazis zum Anlaß, unter dem Deckmantel »spontaner Kundgebungen« in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 im gesamten Reich Synagogen, jüdische Friedhöfe, jüdische Geschäfts- und Wohnhäuser zu zerstören. Da bei den Ausschreitungen viel Glas zu Bruch ging, wählten die Nazis wohl den verharmlosenden Begriff „Reichskristallnacht". Bei den Pogromen wurden 91 Juden getötet, ca. 35.000 vorübergehend inhaftiert.

In dieser Nacht wurden in der näheren Umgebung die Synagogen in Bad Wildungen, Battenfeld und Korbach niedergebrannt. Die Frankenberger Synagoge wurde befehlsgetreu „nur geplündert". Der Grund: Die Synagoge grenzte an einer Seite an ein Wohnhaus, auf der anderen Seite an eine Scheune, die randvoll mit Stroh und Heu gefüllt war. Anscheinend war den Frankenberger Nazis das Risiko zu groß, daß auch diese angrenzenden Gebäude Opfer der Flamen geworden wären.

Elfriede Weber erlebte als 1Ojährige die Zerstörung der Frankenberger Synagoge in der Nacht vom 9. November 1938. Sie wohnte damals im Nachbarhaus Scharwinkel 2.

„Nachts wurde die Synagoge von ca. 4 - 5 Männern in Uniform überfallen und verwüstet. Durch die vorher eingeschlagenen Fenster flogen Bänke/ Gebetbücher, Sitzkissen und Glasteile in den Scharwinkel.

Meine Mutter und wir Kinder standen am Fenster, wurden aber durch Zurufe und In-die-Luft-Schießen am weiteren Beobachten gehindert. Das bereits gelegte Feuer wurde zur Sicherung der anliegenden Scheunen und dem Wohnhaus, in dem wir wohnten, von den Verursachern wieder gelöscht. Am nächsten Tag mußten Juden die zertrümmerten Gegenstände auf einen Leiterwagen zum Abtransport laden."


Die Synagoge ging Anfang 1939 in den Besitz der Stadt Frankenberg über und wurde zum Wohnhaus umgebaut. 1943 wurde das Haus weiter verkauft.

Ursprünglich war der rechts neben dem Eingang liegende Teil eingeschossig. Hier befand sich der Betsaal mit jeweils einer Empore an den Längsseiten. Im linken Teil - zweigeschossig - befand sich die Hausmeisterwohnung und vor 1913 die Räume der jüdischen Schule. In diesen Räumen wurden im Sommer 1942 u.a. das aus ihrem Haus in der Bahnhofstraße vertriebene Ehepaar Rosalie (72 Jahre) und Jakob (77 Jahre) Katzenstein zwangsuntergebracht, bevor sie im August ins KZ Theresienstadt deportiert wurden.


Ehemalige Synagoge um 1950 Quelle: Dolenschall; a.a.O.

ehemalige Synagoge 24.05.2006 © Kurt-Willi Julius
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