Nachrufe für Freunde und Förderer

Gruppenbild in der Synagoge mit altem Mann in der Mitte
20-jähriges JubiläumCamille Calman und Elizabeth Foote (von links) aus Salt Lake City in den USA, und Daniel und Jeffrey Baird (zweite Reihe von rechts), ebenfalls aus Amerika. Den jüdischen Gottesdienst leiteten Amnon Orbach (vorne Mitte) und Thorsten Schmermund (hinten mit Brille).© Renner

Am 18. August ist Amnon Orbach im Alter von 94 Jahren gestorben. Er hat die jüdische Gemeinde in Marburg wieder neu gegründet, war Ehrenbürger der Stadt Marburg, wo er auch für das Miteinander der Religionen viel getan hat. Amnon Orbach war auch ein Freund unseres Vereins. Als uns im September 2000 ehemalige Vöhler Juden besuchten, hat er uns im kleinen Gebetsraum der jüdischen Gemeinde begrüßt. Wir waren dabei, als 2005 die neue Synagoge in der Liebigstraße eröffnet wurde und als 2010 die neuen Thorarollen vom Staatsarchiv in die Synagoge getragen wurden. Er war lange Vorsitzender der Marburger jüdischen Gemeinde. Als wir vor fünf Jahren das 20jährige Bestehen unseres Förderkreises unter anderem mit einem jüdischen Gottesdienst in unserer ehemaligen Synagoge feierten, war auch Amnon Orbach mit dabei. Er war ein wichtiger Repräsentant des Judentums in unserer Region, und auch wir werden seiner stets anerkennend und ehrend gedenken.

Esther Bejarano ist gestorbenGruppenbild dreier Personen

Machten gemeinsam Musik : Esther Bejarano mit ihrem Sohn Joram (rechts) und
Kutlu Yurtseven von der „Microphone Mafia“. 

 

Die nur durch einen Zufall dem Tod in Auschwitz entronnene Esther Bejarano gab zweimal ein Konzert in der Vöhler Synagoge. Vorher war sie in der Alten Landesschule in Korbach, um mit Schülerinnen und Schülern über ihr Leben zu sprechen und mit ihnen über Rassismus und Antisemitismus zu diskutieren.
Es war großartig, diese damals schon über 90 Jahre alte Frau zwischen den zwei großgewachsenen Männern - ihrem Sohn und einem Freund - rappen zu sehen. In der Pause ihres ersten Konzerts in Vöhl verließ ein Ehepaar das Konzert schimpfend mit der Bemerkung, dies sei eine Antifa-Veranstaltung. Wir im Vorstand des Förderkreises waren stolz wegen dieser Bemerkung.
Und wir bewundern diese Frau, die noch im hohen Alter ihr Leben dem Kampf gegen Faschismus und Rassismus gewidmet hat. Kurz vor ihrem Tod hat sie eine Petition gestartet, die zum Ziel hat, den 8. Mai - den Tag des Kriegsendes und dem Ende des staatlichen Faschismus in Deutschland - zu einem Feiertag zu machen. Sie meinte - und wir stimmen dem zu -, dass dieser Tag kein Tag der Niederlage, sondern ein Tag des Sieges der Freiheit über die Unfreiheit, der Befreiung von der Diktatur gewesen ist und für Deutschland die Möglichkeit eines Neuanfangs schuf.
Wir sind traurig über ihren Tod. Eine Zeitzeugin weniger, die aus eigenem Erleben über Auschwitz sprechen kann.
Esther Bejarano gestorben
Die nur durch einen Zufall dem Tod in Auschwitz entronnene Esther Bejarano gab zweimal ein Konzert in der Vöhler Synagoge. Vorher war sie in der Alten Landesschule in Korbach, um mit Schülerinnen und Schülern über ihr Leben zu sprechen und mit ihnen über Rassismus und Antisemitismus zu diskutieren.
Es war großartig, diese damals schon über 90 Jahre alte Frau zwischen den zwei großgewachsenen Männern - ihrem Sohn und einem Freund - rappen zu sehen. In der Pause ihres ersten Konzerts in Vöhl verließ ein Ehepaar das Konzert schimpfend mit der Bemerkung, dies sei eine Antifa-Veranstaltung. Wir im Vorstand des Förderkreises waren stolz wegen dieser Bemerkung.
Und wir bewundern diese Frau, die noch im hohen Alter ihr Leben dem Kampf gegen Faschismus und Rassismus gewidmet hat. Kurz vor ihrem Tod hat sie eine Petition gestartet, die zum Ziel hat, den 8. Mai - den Tag des Kriegsendes und dem Ende des staatlichen Faschismus in Deutschland - zu einem Feiertag zu machen. Sie meinte - und wir stimmen dem zu -, dass dieser Tag kein Tag der Niederlage, sondern ein Tag des Sieges der Freiheit über die Unfreiheit, der Befreiung von der Diktatur gewesen ist und für Deutschland die Möglichkeit eines Neuanfangs schuf. Am 10. Juli 2021 ist sie in Hamburg gestorben.
Wir sind traurig über ihren Tod. Eine Zeitzeugin weniger, die aus eigenem Erleben über Auschwitz sprechen kann.

Wir erinnern an Dani Karavan


Dani Karavan starb am 29.Mai 2021 im Alter von 90 Jahren in Tel Aviv. Er wird als einer der bedeutendsten Künstler unserer Zeit gefeiert, vor allem für seine begehbaren Kunstwerke, die oft Erinnerungsorte sind, etwa das Denkmal für die 500 000 ermordeten Sinti und Roma und die Skulptur "Grundgesetz 49", beide in Berlin.
Auch für die Vöhler Synagoge hat der große Künstler gearbeitet. Für die Ausstellung "Shtil, di Nacht iz oysgeshternt" im Jahre 2005 bearbeitete er eines der 18 Bretter aus der Kuppel der Synagoge. Kurt-Willi Julius, der damals mit Dani Karavan korrespondierte, nahm den folgenden Text in den Ausstellungskatalog auf:
Fortsetzung
(*1930 in Tel Aviv, lebt in Paris und Israel)
war 1977 und 1987 Teilnehmer der Documenta 6 bzw. 8 und wurde
2004 mit dem „Piepenbrock Preis für Skulptur“ ausgezeichnet, die mit
50.000 Euro höchstdotierte Ehrung für einen Bildhauer in Europa.
Viele seiner Arbeiten setzen sich künstlerisch mit der Shoah
auseinander.
Eines seiner Interessengebiete ist die untergegangene Welt der
polnischen Holzsynagogen. So war es ihm eine gerne angenommene
Aufgabe, ein Brett aus einer Fachwerk- (= Holz-)synagoge künstlerisch
zu bearbeiten.
Diese Aufgabe erwies sich als nicht leicht. Mehrere Gestaltungsideen
wurden verworfen. Dann entschied Karavan, eine exakte Kopie jenes
Davidsterns anzufertigen, der als „Judenstern“ erst polnischen, dann
deutschen und allen anderen Juden von nichtjüdischen Deutschen
angeheftet wurde, um sie durch dieses Zeichen zu brandmarken, für die
Verfolger erkennbarer zu machen. Karavan recherchierte genau,
besorgte sich Unterlagen mit den genauen Maßen und fertigte diesen
Stern aus Stoff an. Auch das Wort „Jude“ wurde vorbildgetreu mittig auf
den Stern geschrieben, der Stern dann auf das Brett aufgeklebt.
Karavan in einem Telefongespräch: „Das war zu hart, kaum zu ertragen.“
Nach verschiedenen Gesprächen, u. a. mit seiner Tochter, entschied er,
das Wort „Jude“, wie auch den schon auf dem Brett befindlichen 8-
strahligen Stern vom Vöhler Synagogenhimmel golden zu übermalen.
Eine neue, hellere, „goldenere“ Zeit, eine Normalisierung und
Verbesserung der Beziehungen zwischen Juden und anderen Völkern
wird erhofft, erscheint möglich bei gegenseitiger Achtung und Toleranz.
Aber Sorgfalt und Wachsamkeit sind geboten. Das Alte verbirgt sich
unter einer Hoffnung machenden schimmernden Oberfläche. Aber wie
leicht könnte diese Oberfläche angekratzt und das Verborgene erneut
sichtbar werden.
„Verborgenes wird sichtbar“, dies ist an anderen Stellen des Brettes
bereits geschehen: die verschiedentlich fragmentarisch auftauchende
dunklere blaue Farbe stammt von einem früheren Anstrich, der bereits
um 1900 durch ein helleres Blau ersetzt wurde.

Wir erinnern an Monica Kingreen

Portrait© by Winfried Eberhardt

 

Bereits kurz nach Gründung des Förderkreises lernten wir Monica Kingreen kennen.
Sie war beim Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt beschäftigt
und eine der versiertesten Kennerinnen des Holocaust in Hessen.

Sie hatte Zugang zu vielen Quellen, und wenn wir Informationen über die Deportation von Flüchtlingen aus Vöhl und Waldeck-Frankenberg brauchten,
stellte sie uns diese zur Verfügung. Sie war eine angenehme Gesprächspartnerin,
und so war es leicht, sie um Hilfe zu bitten.

Monica Kingreen war mehrmals in Vöhl, hat in der Synagoge Vorträge gehalten,
z.B. anlässlich der Einweihung des Mahnmals des Landkreises
zur Erinnerung an die Deportierten.
Erst im Mai dieses Jahres war sie wieder einmal hier; wir ahnten nicht,
dass es ihr letzter Besuch sein sollte.

Monica Kingreen starb am 2. September 2016 im Alter von 65 Jahren nach schwerer Krankheit.
Der Förderkreis Synagoge in Vöhl wird ihr ein ehrendes Gedenken bewahren.

Nachruf auf Jürgen Evers

Portrait

…Jeder Mensch ist einzigartig, ist einmalig, etwas Besonderes. Für Jürgen Evers gilt das in besonderer Weise. …Seiner Verantwortung für dieses Dorf und die Menschen, die hier leben, war er sich bewusst und ist ihr stets gerecht geworden.

Jürgen Evers war eine Amtsperiode Schriftführer im Ortsbeirat. Er hat diese Aufgabe sehr gewissenhaft erfüllt und zur Entwicklung des Dorfes beigetragen.

Sein sportverrückter Vater – die alten Vöhler wissen, dass diese Formulierung richtig ist – hat ihn mit seiner Geburt beim Sportverein angemeldet, den der Vater 1914 und dann noch einmal nach dem 1. Weltkrieg wiedergegründet hatte. Es gibt Bilder, die Jürgen Evers als jugendlichen Turner zeigen; später spielte er kurze Zeit Tischtennis. Seine Verbundenheit mit dem TSV kam auch darin zum Ausdruck, dass er mehrere Jahre als Schriftführer dem Vereinsvorstand angehörte. Im vorigen Jahr wurde er anlässlich des 150jährigen Bestehens des TSV für seine fast 80jährige Vereinsmitgliedschaft geehrt. Verein und Vorstand… sagen ein letztes Dankeschön für Jürgens Treue und seine Aktivitäten für den Verein.

In besonderer Weise verbunden war Jürgen Evers auch mit dem Förderkreis Synagoge in Vöhl, dessen Mitglied er seit der Gründung war. Bis zu seinem Schlaganfall half er tatkräftig bei der Renovierung des Gebäudes. Auf dem Dachboden fand er verschiedene Bücher und andere Gegenstände, die er aufgrund seiner historischen Kenntnisse einordnen und deren Bedeutung er würdigen konnte. Schon vor der Gründung des Förderkreises hatte er viele Informationen über die früher hier lebenden Juden gesammelt und auch schon den einen oder anderen Kontakt aufgenommen. Wir sind ihm sehr dankbar für das umfangreiche Bild-, Grafik- und Textmaterial, das er zu diesem und anderen Themen zur Verfügung stellte. Bis ins vorige Jahr hinein besuchte er sehr regelmäßig Konzerte und Vorträge in der Synagoge und zeigte immer wieder großes Interesse an dem, was dort geschah. Der Vorstand ist ihm dafür sehr dankbar.

Jürgen Evers ist für Vöhl von besonderer Bedeutung. Seit den 50er Jahren fotografierte er Vöhler Häuser und rief mehrmals dazu auf, ihm Bilder aus noch älteren Zeiten zur Verfügung zu stellen. Er hat ein einzigartiges Archiv Häuser-Archiv erarbeitet und bei mehreren Gelegenheiten der Öffentlichkeit vorgestellt…. Einen Platz in vielen Bücherregalen Vöhls fand sein Buch über die Vöhler Gefallenen in den Kriegen des 19. und 20. Jahrhunderts, auf das insbesondere im Zusammenhang mit dem Gedenken am Volkstrauertag zurückgegriffen wird.

Jürgen Evers hat viele interessante Texte zur Geschichte Vöhls geschrieben und veröffentlicht.

Ein Gedicht  von Henry Scott Holland, einem englischen Philosophen und Theologen, schließen.

Wir werden, wenn wir künftig wie in der Vergangenheit zusammensitzen, Jürgens Namen oft nennen, manchmal vielleicht mit ein bisschen Wehmut; wir werden uns an seine Arbeit, aber auch an seinen Humor erinnern und oft auch miteinander lächeln beim Erinnern.

Jürgen Evers hat sich um Vöhl verdient gemacht.

Wir erinnern an Kurt-Willi Julius

Portrait
Kurt-Willi Julius, der Vorsitzende des Förderkreises Synagoge in Vöhl und bisher Gestalter dieser Website, starb plötzlich und unerwartet am 8. März 2014.
Wir sind ihm sehr dankbar für seine Arbeit.
Todesanzeige des Vereins in der Presse


Sie finden hier als Link,

das von Karl-Hermann Völker angefertigte Gedenkblatt,

Titel des Gedenkblattes
Bitte anklicken!

den Nachruf der Gemeinde Vöhl,

die  von Pfr.i.R. Günter Maier gehaltene  Gedenkfeieransprache 

und die  von Pfr.i.R. Heiner Wittekindt gehaltene Traueransprache.

Sie finden hier einen Nachruf von Karl-Hermann Völker in der Zeitung HNA,

und von Theresa Demski in der Zeitung WLZ-FZ

Wir trauern um
Frau Dr. h.c. Thea Altaras

Frau steht in Mikwe
©2003 H. Nuhn; Thea Altaras bei der Freilegung der Mikwe in Rotenburg an der Fulda im Juni 2003

Wie wir leider erst seit dem 17. Oktober wissen, ist Thea Altaras am 28. September 2004 in Giessen verstorben. Ein Gedenkblatt mit ihrem Lebenslauf finden Sie weiter unten.

Der Förderkreis "Synagoge in Vöhl" e.V. verdankt ihr Vieles. Frau Altaras gehörte seit dem Frühjahr des Jahres 2000 dem Beirat des Förderkreises an. Gerne erinnern wir uns an die Treffen mit ihr in Vöhl, in Giessen und bei verschiedenen Tagungen zurück.

Im April 2000 besuchte Frau Altaras erstmals die kurz zuvor vom Förderkreis erworbene Vöhler Synagoge. Ihre lebendige Begeisterung, mit der sie das Gebäude wahrnahm, werden uns unvergessen bleiben. Mit ihrem ungeheuren Wissen über Landsynagogen konnte sie uns viele erste Fragen und Rätsel um die Synagoge beantworten. Ein lebhafter Briefkontakt entstand. Als wir die ehemaligen Vöhler Juden im September 2000 nach Vöhl einluden, besuchten wir mit ihnen einen Shabbat-Gottesdienst in Giessen, wo wir durch Frau Altaras aufs herzlichste empfangen wurden und wo sich lebhafte und tiefgehende Gespräche entwickelten.

In der Folgezeit brachte Frau Altaras wiederholt wertvollste Anregungen für die Renovierung in Vöhl ein. Unentgeltlich fertigte sie zahlreiche arbeitsaufwändige detaillierte Zeichnungen für uns an. Das waren Grundrisse, die das hypothetische Aussehen der Synagoge zu verschiedenen weit zurückliegenden Zeiten darstellen, ebenso, wie Entwürfe, mit deren Hilfe zentrale Einrichtungsgegenstände neu angefertigt werden konnten. Zu nennen sind hier vor allem das 1938 zerstörte und 2001 fertiggestellte neue große runde Fenster mit Davidstern und der zentrale siebenarmige Deckenleuchter, der am 9. November 2004 erstmals in der Synagoge erstrahlen wird.

Gerade dieser Leuchter lag Frau Altaras sehr am Herzen. Nachdem wir sie im Frühjahr 2004 um Mithilfe gebeten hatten, schickte sie innerhalb weniger Tage Zeichnungen, Entwürfe und genaue Beschreibungen, mit denen es dem Schmiedemeister Figge aus Höringhausen leicht fiel, den Deckenleuchter anzufertigen. Da keine Bilder und nur ungenaue Beschreibungen des historischen Leuchters vorlagen, hatte Frau Altaras vorgeschlagen, einen schlichten Leuchter anzubringen, der wirkt, ohne den Blick zu sehr vom blauen Synagogenhimmel abzulenken. Landesdenkmalpflege und Förderkreis konnten ihren Entwürfen sofort zustimmen.

Es muss nur wenige Tage vor ihrem Tod gewesen sein, als sie uns anrief. Lebhaft interessiert fragte sie nach "ihrem" Leuchter, dessen Fertigstellung sich durch eine Erkrankung des Schmiedes verschoben hatte. Frau Altaras wollte in der Neubearbeitung ihres Buches über Synagogen und Mikwen in Hessen unbedingt auch ein Foto dieses Leuchters mit dem Fenster mit Davidstern im Hintergrund zeigen. Lange unterhielten wir uns über Vöhl, aber auch über ihre enorme Arbeitsbelastung durch das Buch und die jüdische Gemeinde in Giessen, deren Leitung sie seit dem Tode ihres Mannes vor wenigen Jahren inne hat.

Dieses Telefonat und Gespräche mit dem herausgebenden Verlag machen im Nachhinein deutlich, wie sehr sich Frau Altaras bis zu ihrem Tode um die Vollendung "ihrer" Projekte gesorgt und gekümmert haben muss. Die Zeiten zwischen mehreren Krankenhausaufenthalten muss sie bis zur Erschöpfung, in der Sorge nicht mehr fertig zu werden, an ihrem Buch gearbeitet haben. Der Tod hat sie, nach allem was wir wissen, am Schreibtisch ereilt. Ihr Buch konnte sie, bis auf wenige Bilder, die jetzt andere für sie machen müssen, vollenden. Es wird in Kürze erscheinen.

Der Förderkreis "Synagoge in Vöhl" e.V. wird den Menschen und die Persönlichkeit Thea Altaras nie vergessen. Vieles in der Synagoge wird für immer an sie erinnern.


100 Jahre Langewiesche
seit 1902 Königstein
VERLAG DIE BLAUEN BÜCHER

Verlagsinformation 01. Oktober 2004:

Gedenkblatt für Thea Altaras

Am Dienstag, 28. September, verstarb in Gießen die Architektin Thea Altaras im Alter von 80 Jahren. Weltweite Aufmerksamkeit fanden ihre Forschungen über das bundesrepublikanische Schicksal derjenigen Synagogen und jüdischen Rituellen Tauchbäder, die die Pogromnacht 1938 und den zweiten Weltkrieg als Bauwerke überstanden hatten sowie über die Stätten der Juden in Gießen.

Thea Altaras, als Kind deutscher Eltern am 14. März 1924 in Zagreb geboren, wurde im jüdischen Glauben erzogen. 1941-1945 Verfolgung, Lager und im jugoslawischen Widerstand. 1953 Diplom-Ingenieur in  Architektur. Seitdem als Architektin berufstätig. Seit 1965 in der Bundesrepublik Deutschland, deutsche Staatsbürgerschaft 1968. Im öffentlichen Dienst von 1965 - 1984 als Planungsarchitektin in staatlichen Hochbauämtern in Konstanz, Gießen und Marburg/L. tätig. Verheiratet, eine Tochter. 1989 Ehrendoktorwürde der Universität Gießen in Würdigung der vorliegenden Arbeit. 1995 Hedwig Burgheim- Medaille der Stadt Gießen, 1998 Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Seit 2001 Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gießen. Ihr Buch „Synagogen in Hessen - Was geschah seit 1945?“ wurde 1988, ihr zweites „Das jüdische Rituelle Tauchbad“ 1995 seitens der hessischen Wissenschafts- und Kultusministerien an alle weiterführenden Schulen Hessens sowie an die Verwaltungen der betroffenen Gemeinden verteilt. Das Ziel war der würdigere Umgang mit den dinglichen Zeugen jahrhunderte langer deutsch-jüdischer Vergangenheit. Altaras ist darauf hin zu zahlreichen Veranstaltungen in betreffende Orte eingeladen worden, wo sie referierend und auch beratend tätig wurde. Seither sind zahlreiche Bauten restauriert und einer würdigen Nutzung zugeführt worden, auch wurden an vielen der ehemaligen Synagogen oder Bethäuser Gedenktafeln angebracht. Kurz vor ihrem Tod konnte Thea Altaras die Arbeit an einer kombinierten Neuausgabe dieser beiden Bände vollenden. Das Werk soll spätestens im Frühjahr 2005 wieder als „Blaues Buch“ vorliegen.


Mit großer Bestürzung nehmen wir Abschied von


Dr. h.c. Thea Altaras
Zagreb 11. März 1924 - Gießen 28. September 2004

Mit unglaublichem Engagement tat Thea Altaras das, was eigentlich andere an
ihrer Stelle hätten tun müssen. Ihr haben wir es zu verdanken, dass ein Teil
der bittersten deutschen Geschichte Aufklärung fand.

Behutsam, ohne Hass, manchmal mit viel Trauer im Herzen forschte Thea
Altaras nach dem Schicksal der einst über zweihundert Synagogen
in Hessen, besonders auch nach 1945. Tief beschämt mussten wir durch
Ihre Suche erkennen, wie gründlich der deutsche Antisemitismus in den
Städten und Dörfern gewütet hatte und mancherorts bis heute noch
zu spüren ist.

Wir sind Dipl.-Ing. Dr. h.c. Architektin Thea Altaras zu tiefem Dank verpflichtet.


Karl Robert Langewiesche Nachfolger Hans Köster KG Verlag der Blauen Bücher
Königstein im Taunus


Wir erinnern an Prof. Dr. Michael Neumann

Leidenschaft des Bewahrens trieb ihn an
Oberdenkmalpfleger Prof. Dr. Michael Neumann verstarb 55-jährig in Marburg

Marburg/Frankenberg. Vor vier Monaten konnte er noch in Bad Arolsen die Christian-Rauch-Plakette für seine besonderen konservatorischen Verdienste um die Barockstadt und ihre historische Bausubstanz entgegen nehmen. Diese Würdigung im vorbildlich sanierten Schreiberschen Haus erfüllte Professor Dr. Michael Neumann, der bereits von einer schweren Krankheit gezeichnet war, mit großem Stolz. Es sollte sein letzter Besuch in dem von ihm seit 1979 betreuten Landkreis Waldeck-Frankenberg werden: In dieser Woche erlag der Oberdenkmalpfleger in Marburg seinem Leiden im Alter von 55 Jahren.

Mann lehnt an Denkmal
Mit ganzem Herzen:
Ob gotische Kirche, Residenzschloss

oder einfacher Barockstein im Burgwald
- stets war Professor Dr. Michael Neumann
zupackend und mit ganzem Herzen bei
"seinen" Denkmälern vor Ort. FOTO: VÖLKER

Michael Neumann wurde 1947 in Bad Sooden-Allendorf geboren, wuchs in Frankfurt auf und studierte Architektur an der TU Hannover. 1979 zog es nach mehreren Auslandsaufenthalten den, wie er sich empfand, "Frankfurter Bub" Michael Neumann wieder nach Hessen. Er wurde auf Vorschlag von Professor Dr. Gottfried Kiesow Konservator am Hessischen Landesdenkmalamt in Marburg, seit 1991 Oberkonservator mit Zuständigkeit auch für Marburg-Biedenkopf.

Seine Beschäftigung mit dem baulichen Erbe in mehr als zwanzigjähriger Tätigkeit als praktischer Denkmalpfleger, die er im klassischen Selbstverständnis des universal gebildeten Bezirkskonservators ausübte, führte bei ihm zu einem Schatz weit gespannter bau- und kunsthistorischer Kenntnisse, die er als Lehrbeauftragter und seit 1999 als Honorarprofessor der Universität Marburg auch gern an Studenten weiter gab. Seine zahlreichen Publikationen, darunter viele Aufsätze über Waldeck-Frankenberg und das Hinterland, belegen seine fundierten kunsthistorischen Kenntnisse und sein sensibles Gespür für Natur und Architektur.

Nach anfänglich drohender Flächensanierung gab Michael Neumann der Altstadtsanierung in Frankenberg neue Richtungsweisung und eine verlässliche Kontinuität in der denkmalpflegerischen Betreuung. Zu seinen konservatorischen Erfolgen gehören die großen Sanierungen der Baudenkmäler in Haina/Kloster und Bad Arolsen, wo er 1986 zu den Initiatoren der erfolgreichen Barockfestspiele gehörte. Daneben betreute er mit Rat und persönlichem Engagement zahlreiche städtebauliche Planungen, Dorferneuerungen, viele Kirchensanierungen, die Erhaltung technischer Denkmale oder auch einfacher, aber ortsbildprägender Fachwerkhäuser. Er begleitete die Restaurierung der großen gotischen Altäre, die in Waldecker Kirchen den Bildersturm überdauerten, und einer seiner letzten kunsthistorischen Aufsätze galt dem 600-jährigen Altarkunstwerk des Conrad von Soest in Bad Wildungen.

Professor Neumann war angetrieben von der "Leidenschaft des Bewahrens" für die von ihm als wertvoll erachteten Baudenkmäler unserer Region. Dabei scheute er nicht den Konflikt mit Kommunen oder privaten Bauherren. Er war aber stets auch zu Gesprächen und Kompromissen bereit, schlug neue Funktionen und Lebensbezüge für längst totgesagte Gebäude vor. Mit Fröhlichkeit und Optimismus ging er bei seinen ausgedehnten Fahrten durch den Landkreis auf die Menschen zu, auch wenn er sich manchmal als "Einzelkämpfer" gegenüber zerstörungsähnlichen Eingriffen in Landschaft und Architektur fühlte. Viele großartige wie auch unscheinbare Baudenkmäler in Waldeck-Frankenberg werden an die konservatorische Weitsicht von Michael Neumann erinnern.

Karl-Hermann Völker

Aktuell sind 168 Gäste und keine Mitglieder online

Wir benutzen Cookies
Diese Website nutzt Cookies. Diese sind zum Teil technisch notwendig, zum Teil verbessern sie die Bedienung. Sie können entscheiden, ob sie dies zulassen. Bei Ablehnung sind manche Funktionen der Website nicht zu nutzen.