Samstag, 18. September 2021, Waldeckische Landeszeitung / Lokales
Geschichte wird lebendig
Abschlussprojekte der Landkulturboten in der Vöhler Synagoge vorgestellt
VON ARMIN HENNIG
Vöhl – Mehr Führungen in diesem Sommer und eine höhere Erlebnistiefe für die Besucher, die vierte Saison der Landkulturboten in der Vöhler Synagoge war ein voller Erfolg. Diese Bilanz zog Karl-Heinz Stadtler bei der Vorstellung der Projekte.
Eine Ursache für das höhere Interesse von Touristen waren ein neues Hinweiskonzept und die Angebote im Sommer. Alle Teilnehmer äußerten sich positiv über ihre Erfahrungen bei den Führungen und die Chance, durch den persönlichen Umgang mit interessierten Gästen fürs Leben zu lernen.
Vor diesem Hintergrund bat Bürgermeister Karsten Kalhöfer die sechs Landkulturboten darum, auch nach Ablauf ihrer Zeit und dem Abschluss ihrer Projekte weiter für die Nationalparkgemeinde Vöhl und die Region zu werben.
Kommunikation über bisher bestehende Sprachbarrieren hinweg war der Anspruch der Übersetzerarbeit von Kimberley Simon, die wesentliche Teile des Internetauftritts in ihre Muttersprache übersetzt hatte. Denn bei vielen Nachfahren von Vöhler Juden, die im anglo-amerikanischen Sprachraum aufgewachsen sind, spielt die deutsche Sprache nur noch eine untergeordnete Rolle. Am Ende ihrer Arbeit von zwei Wochen stehen 35 000 Wörter und neun Führungen, in denen sie zahlreiche Fragen schlüssig beantworten konnte.
Gut 150 Jahre einer Marienhagener Familie, die einen wesentlichen Beitrag zum kulturellen und gesellschaftlichen Leben von Marienhagen leistete, bildete das Ergebnis der Recherchen von Niko Sell, die fortan auch über den Internetauftritt der ehemaligen Synagoge zugänglich sind.
Der Schüler aus der Ederseeschule in Herzhausen zeichnete den Stammbaum einer Familie aus Marienhagen. In seiner Darstellung kam dem 1786 geborenen Jakob Kratzenstein gewissermaßen die Rolle des Patriarchen zu, sein Enkel Josef (*1821) zählte zu den Gründern der Liedertafel.
Als Gastwirt und Kaufmann stand Felix Isling um die Jahrhundertwende gleich an mehreren Schnittstellen des dörflichen Lebens. Während der NS-Zeit gelang einigen Nachfahren über einen Häusertausch die Auswanderung nach Holland. Der Handelsvertreter Hermann Kratzenfeld kam dagegen im KZ Flossbürg ums Leben, seine Schwester Hedwig Winter, die nach Kassel geheiratet hatte, wurde im Vernichtungslager Auschwitz vergast. Die Vorstellungskraft der Besucher steigern und verloren gegangenen Glanz wieder sichtbar machen wollten Erik Peper und André Stremmel mit ihrem Augmented-Reality-Projekt. Die Bewältigung der technischen Herausforderungen gelang mittels der Kombination unterschiedlicher Software. Nun entsteht mittels im Gebäude angebrachter QR-Codes eine Simulation des früheren Gottesdienstraums auf dem Smartphone der Besucher. „Wir haben im Umgang mit Menschen wie mit der Technik in unserer Zeit als Landkulturboten viel fürs Leben dazu gelernt“, zogen die beiden Schüler der Alten Landesschule in Korbach ein rundum positives Fazit aus ihrer Zeit als Entwickler und Führer durch die Geschichte der Vöhler Juden und ihrer Synagoge.