Freitag, 12. November 2021, Waldeckische Landeszeitung / Lokales
Verfolgt, verschleppt und überlebt
Richard Oppenheimer berichtet an der ALS über die Geschichte seiner Mutter
VON LUTZ BENSELER
Korbach – Richard Oppenheimer aus den USA ist Nachfahre der jüdischen Familie Mannheimer aus Bad Wildungen. Vor Schülern der Alten Landesschule in Korbach berichtete er am Montag vom Leiden in der NS-Zeit, dem viele Familienmitglieder zum Opfer fielen. Im Mittelpunkt seines Vortrags stand das Tagebuch seiner Mutter Erika, in dem sie über die Deportation, die Lager und den Todesmarsch berichtet. Auch in Bad Wildungen an der Ense-Schule sowie am Gustav-Stresemann-Gymnasium berichtet Oppenheimer in dieser Woche über seine Familiengeschichte.
Die fünfköpfige Familie Mannheimer aus der Lindenstraße in Bad Wildungen lebte vom Viehhandel und schien gut integriert in der Altstadt. Tatsächlich aber durchlebte sie in der NS-Zeit schlimme Verfolgungen, große Teile der Verwandtschaft wurden ermordet. Erika Mannheimer überlebte mit ihrer Mutter Lina den Holocaust als einzige aus ihrer Familie.
Richard Oppenheimer, 1950 in New York geboren, erfuhr vom ganzen Ausmaß des Schicksals seiner Familie erst nach dem Tod seiner Mutter 1988, als er ihr Tagebuch aus der Kriegszeit fand. Er begann nachzuforschen und knüpfte schließlich Kontakt zum Bad Wildunger Johannes Grötecke – heute Lehrer an der Alten Landesschule –, der ihm zu weiteren Informationen über seine Mutter verhalf.
Eindrücklich berichtet Erika Mannheimer von der Deportation zunächst ins Ghetto „Lettland“ in Riga. Wie die „Schwerstverbrecher“ seien sie vom SD und der SS mit Hunden getrieben worden. Als die Rote Armee 1944 näher rückte, wurde Erika Mannheimer mit weiteren Häftlingen über die Ostsee nach Danzig gebracht und schließlich ins Konzentrationslager Stutthof, später ins Außenlager Korben. „Dort war es noch schwieriger“, sagt Oppenheimer. Bei großer Kälte und Hunger überlebte sie den sogenannten Todesmarsch. Der 26. Februar 1945 war der Tag ihrer Befreiung aus dem Gefängnis Koronowo. Ein Pole habe gerufen: „Packt eure Sachen. Geht, wohin ihr wollt. Der Russe ist da. Ihr seid frei!“ „Wir konnten vor lauter Freude nicht sprechen“, schreibt Mannheimer. Am 17. Oktober 1945 kam sie wieder in Bad Wildungen an, 1946 emigrierte sie in die USA.
An den Vortrag anschließend übergaben die Schüler Yaron Paul und Vincent Bagniewski Kopien von Dokumenten aus den Arolsen Archives an Oppenheimer.