Samstag, 30. April 2022, Waldeckische Landeszeitung / Lokales
Erinnern an jüdisches Leben
Neue Broschüre soll Reisebegleiter bei Touren durch den Landkreis sein
VON ARMIN HENNIG
Vöhl – „Erinnerung an jüdisches Leben in Waldeck-Frankenberg“, ist der Titel einer Broschüre mit über 70 Seiten Umfang, die Schüler und Touristen als Reisebegleiter über die Geschichte des Landkreises und seiner Menschen informieren soll. Den ersten gewünschten Effekt hat die mit vielen Bildern aus den Städten und Gemeinden illustrierte Publikation schon geleistet.
So verwies Landrat Jürgen van der Horst auf den Erfolg seiner Tochter, die bei der Vorbereitung eines Referats über jüdisches Leben in Bad Arolsen auf das druckfrische Heft zurückgreifen konnte, das in einer Auflage von 5000 Stück gedruckt wurde.
Der erfolgreich bestandene erste Härtetest war nicht der einzige Grund, weshalb der Landrat den Initiatoren und Autoren des Projekts für ihren Beitrag zur Erinnerungskultur dankte. „Bis zur Zäsur durch die NS-Zeit waren die Juden ein Teil der Gemeinschaft, sie unterschieden sich nur durch ihren Glauben. Von den 800, die einmal hier gelebt haben und Opfer der Verfolgung durch die Nazis wurden, kehrten die allerwenigsten zurück, die Menschen haben eine Lücke hinterlassen, sie fehlen uns“, sagte van der Horst. Er hofft auf eine weitere Intensivierung der Erinnerungskultur.
„Bei dieser Zahl handelt es sich um Menschen, die irgendwann in unserem heutigen Kreisgebiet gewohnt haben, dabei sind auch die, die ausgewandert sind und von dort deportiert wurden“, ergänzte Karl Heinz Stadtler, der in seiner Rede bis zu den Anfängen der Spurensuche nach jüdischem Leben Anfang der 1980er zurückging.
„Die ersten Impulse kamen von Zugezogenen, denen es leichter fiel, an den Schutt von Schuld und Verdrängung zu rühren,“ erklärte er. Die erste Idee zu der Broschüre „Erinnerung an jüdisches Leben in Waldeck-Frankenberg“ kam von Ernst Klein und Karl-Heinz Stadtler schon vor zehn Jahren, angedacht war eine Fahrradwanderkarte zu den Denkmalen jüdischen Lebens.
Doch eine Tagestour erwies sich angesichts der Größe des Kreises als nicht durchführbar: zu viele Orte und zu große Distanzen. Konsequent weiter gedacht, entstand nun mithilfe zahlreicher Kollegen und Co-Autoren eine kleine, reichlich bebilderte Enzyklopädie, mit der sich viele Ausflüge von Battenfeld bis Rhoden oder Arolsen bis Willingen planen lassen.
In dem handlichen Reisebegleiter sind mustergültig restaurierte Denkmäler ebenso aufgeführt wie Gebäude, die nach Umbau oder Umwidmung die selben Funktionen erfüllen wie nach 1938. Aber auch andere, nicht auf Anhieb erkennbare Relikte aus der Vergangenheit lassen sich dank der Illustration leichter aufspüren.
Am Ende jedes Kapitels sind Ansprechpartner für jede Stadt oder Gemeinde bzw. die jeweiligen Ortsteile aufgeführt, das sind in der Regel die Autoren der entsprechenden Kapitel.
Finanziert wird die Broschüre durch den Landkreis und das Netzwerk für Toleranz, das die Förderung durch Bundesmittel aus dem Programm „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums ermöglicht.
Einen besonderen Dank für die Unterstützung sprach Karl-Heinz Stadtler dem MV Medien Verlags Frankenberg und seinem Geschäftsführers Oliver Gentzsch aus, der mit der kostenfreien Nutzung von Ortskarten aus dem „Handlichen Telefonbuch“ auch zum rundum gelungenen Ergebnis beitrug.