Mittwoch, 01. Juni 2022, Waldeckische Landeszeitung / Lokales
Massenmord unter Tarnnamen „Reinhardt“
Alte Synagoge in Vöhl zeigt Sonderausstellung 80 Jahre nach Deportation von Juden
VON KARL-HERMANN VÖLKER
Vöhl – „Vor den Augen der Welt“ geschahen 1942 die Massenmorde der Nazis in den Vernichtungslagern Osteuropas, heißt es auf der letzten Tafel zur Ausstellung mit dem Titel „Aktion Reinhardt– Sie kamen ins Ghetto und gingen ins Unbekannte“,, die e in der ehemaligen Synagoge Vöhl eröffnet wurde. „Die Welt wusste es, aber tat nichts“, sagte Karl-Heinz Stadtler, Vorsitzender des Synagogen-Förderkreises, bei der Vernissage.
Den alliierten Großmächten sei es zu jener Zeit wichtiger gewesen, den Krieg zu gewinnen. Im Zuge der „Aktion Reinhardt“ wurden zwischen Juli 1942 und Oktober 1943 etwa 1,6 bis 1,8 Millionen Juden sowie rund 50 000 Roma aus den fünf Distrikten des Generalgouvernements (Warschau, Lublin, Radom, Krakau und Galizien) in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka ermordet.
Stadtler blätterte die dunklen Seiten der Chronik der systematischen Vernichtung der europäischen Juden in seiner Rede am Vorabend des 1. Juni auf, an dem vor 80 Jahren am Kasseler Hauptbahnhof ein Deportations-Sonderzug mit 508 Juden aus dem Regierungsbezirk Kassel abfuhr, darunter 42 Frauen, Männer und Kinder aus den Kreisen Waldeck und Frankenberg (wir berichteten).
Es sei dies nach Transporten aus Osteuropa der erste Zug aus dem Deutschen Reich gewesen, der in dem Vernichtungslager Sobibor am 3. Juni 1942 angekommen sei, konnte Bürgerforscher Stadtler ermitteln. „Innerhalb von zwei Stunden wurden sie alle in den Gaskammern getötet.“ Zuvor waren arbeitsfähige Männer in Lublin entladen und zum Bau des Konzentrationslagers Majdanek selektiert worden.
Der Tarnname „Aktion Reinhardt“ bezog sich auf den Vornamen von Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamts (RSHA), und einer der Hauptorganisatoren des Holocaust, der im Mai 1942 nach einem Attentat in Prag gestorben sei und um den sich unter den Nazis ein regelrechter Personenkult entwickelt habe, wie Karl-Heinz Stadtler berichtete. Bis zum 31. Dezember 1942 sollte die „Endlösung der Judenfrage“ erfolgt sein.
In Erinnerung an ein früheres Schwerpunktthema der Synagoge Vöhl verwies Stadtler auf die von den Nationalsozialisten 1940/41 organisierte „Aktion T 4“ zur Ermordung von 70 000 behinderten Menschen in Gaskammern. „Dieses freigesetzte Euthanasie-Personal wurde nun in den osteuropäischen Vernichtungslagern der Aktion Reinhardt eingesetzt.“
Dank galt zu Beginn der Vernissage Raphaela Kula (Kassel) für die Vermittlung der in Majdanek konzipierten Wanderausstellung mit 20 Roll-Ups.
Eine besondere Vertiefung erfahre die Thematik durch acht Bilder und eine Skulptur, die der Korbacher Kunstverein speziell für das Schwerpunktthema Deportationen angefertigt habe, wofür er besonders dankbar sei, hob Stadtler hervor.
Für einen einfühlsamen musikalischen Rahmen der Ausstellungseröffnung sorgte mit der Querflöte Barbara Küpfer.