Freitag, 22. Juli 2022, Waldeckische Landeszeitung / Guten Morgen, Waldeck!
Schicksal der Juden vermitteln
Neue Landkulturboten arbeiten in der Vöhler Synagoge – Projekte umsetzen
VON ARMIN HENNIG
Vöhl – Mit personeller Konstanz und gesteigerter historischer Kompetenz startet das Projekt der Landkulturboten in der ehemaligen Synagoge Vöhl ins fünfte Jahr.
Mit Kimberley Simon und Niko Sell gibt es zwei personelle Konstanten. Die native Speakerin soll den englischen Teil des Internetauftritts weiter ausbauen. Der Vorsitzende des Fördervereins, Karl-Heinz Stadtler, hat schon einige Themen ausgemacht, die unbedingt internationalisiert werden sollen.
Niko Sell ist der zweite „Wiederholungstäter“, im Vorjahr recherchierte er die Schicksale der Marienhagener Familie Katzenstein. Seine Schwester Lena ist zum ersten Mal mit dabei, die Geschwister, beide Schüler an der Ederseeschule in Herzhausen, haben sich noch nicht endgültig entschieden, wo der thematische Schwerpunkt in diesem Sommer liegen wird.
Luisa Wilke ist in diesem Punkt schon einen Schritt weiter, die Schülerin der Alten Landesschule in Korbach, die im kommenden Jahr ihr Abi bauen will, möchte gern die Transformation einer Demokratie in die Diktatur des Dritten Reichs untersuchen. Auch Cara Richter belegt den Leistungskurs Geschichte an der Alten Landesschule, wie auch Mali Klöcker, die bei der Vorstellung krankheitsbedingt nicht dabei sein konnte.
Neben der Arbeit an den jeweiligen Projekten gehören zu den Aufgaben der Landkulturboten die Führung durch das Gebäude der Synagoge, die Erläuterung seiner Geschichte und die Ausstellung zur „Aktion Reinhardt“, bei deren Durchführung seinerzeit auch die Vöhler Juden auf direktem Weg oder nach vollständiger Ausplünderung über den angeblichen Altersruhesitz Theresienstadt in die Vernichtungslager deportiert wurden.
Als Beispiel für die Praxis, mit der ältere Juden über das Versprechen lebenslänglichen Wohnrechts im Alters-ghetto Theresienstadt überlistet wurden, erwähnte Karl-Heinz Stadtler Selma Rothschild, deren Poesiealbum zu den neuen Funden gehört, die im Gefolge der Ausstellung zu Tage kamen. 23 Tage dauerte das lebenslängliche Wohnrecht in der Vorzeigeeinrichtung, den anderen alten Damen aus Vöhl waren sogar nur 10 und 11 Tage in der gelegentlich vom Roten Kreuz besuchten Veranstaltung beschert, ehe sie ihre Reise weiter nach Osten und ins Gas antreten mussten, so der Vorsitzende des Fördervereins, der für Sonntag, 11. September, um 15 Uhr den Vortrag „Vöhls letzte Juden“ mit der Vorstellung der neuen Funde ankündigte. Zwei Tage vorher präsentieren die Landkulturboten die Ergebnisse ihrer Forschungen am 9. September um 19 Uhr.
Der Vöhler Bürgermeister Karsten Kalhöfer, nominell der Chef der Landkulturboten, die bei der Gemeinde Vöhl angestellt sind, wies auf die Bedeutung der Landkulturboten für Touristen und Einheimische hin.
Er übergab einen Förderbescheid in Höhe von 550 Euro, die Finanzierung des Projekts in der Vöhler Synagoge für das Jahr 2022 wird zudem durch Mittel der Tassilo-Dröscher-Stiftung, des Netzwerks für Toleranz und Spenden der Rotarier und des Lions Clubs Korbach-Bad Arolsen gesichert.