Dienstag, 26. September 2023, Waldeckische Landeszeitung / Landkreis
Ein Ferienjob mit Verantwortung
Sechs Landkulturboten der Synagoge mit Dank für Engagement verabschiedet
VON BARBARA LIESE
Vöhl – Mit beeindruckenden Projektpräsentationen überzeugten die Landkulturboten zum Ende ihres Ferienjobs: Während der Sommerferien hatten die sechs Schüler nach einer ausführlichen Einweisung in Eigenverantwortung Besucher durch die Synagoge geführt, die Digitalisierung des Archivs unterstützt, die Social-Media-Seiten betreut und schließlich nach einer eigenen Idee ein individuelles Projekt entwickelt.
„Ich bin immer wieder begeistert, wie die Jugendlichen sich engagieren“, freut sich Karl-Heinz Stadtler, Vorsitzender des Förderkreises Synagoge Vöhl. „In den vergangenen sechs Jahren haben schon 36 Schüler an unserem Projekt teilgenommen und ihre Abschlussarbeiten vorgestellt. Und doch gelingt es ihnen, in jedem Jahr immer wieder neue Themen zu finden. Ohne finanzielle Unterstützung des hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, der Nationalpark-Gemeinde Vöhl, des Landkreises und des Netzwerks für Toleranz wären diese so wertvollen Ferienjobs aber nicht möglich.“
Praktische Unterstützung der Arbeit des Fördervereins als Landkulturbote leistete unter anderem Noah Sach, Schüler der Ederseeschule. In den neuen Vitrinen im Obergeschoss waren die ausgestellten Judaica, also für das Judentum repräsentative Texte und Gegenstände nicht beschriftet – er machte sich daran, diese Arbeit zu erledigen.
Handwerklich begabt, nahm er sich schließlich noch den alten Ortsplan mit Häusern jüdischer Familien vor. Er übertrug ihn vom inzwischen vergilbten Papier auf Holz und mit einem Brandkolben markierte er die betreffenden Häuser, sodass sie auf den ersten Blick zu erkennen sind.
Diese Häuser gehörten auch zum Projekt von Anton Wensel, ebenfalls Schüler der Ederseeschule. Zur Vorbereitung auf das Jubiläum zum 25-jährigen Bestehen des Förderkreises im kommenden Jahr sollen sie mit einer kurzen Zusammenfassung die Geschichte der ehemaligen jüdischen Bewohner erzählen. Drei Häuser haben jetzt ihr Schild. Bis zum Jubiläum im kommenden Jahr, wenn noch lebende Bewohner von damals ihre Heimat besuchen, sollen alle fertig sein.
Eine praktische Idee, vor allem für jugendliche Besucher und Kinder, hatte auch Lea-Sophie Eisenberg von der Alten Landesschule in Korbach. Sie entwickelte einen QR-Code, der mit einer Audioführung wie bei einer Schnitzeljagd von Station zu Station zu wichtigen Gegenständen und Elementen führt. Wer dieser folgt, sammelt unterwegs Buchstaben für ein Lösungswort und kann sich am Ende eine Belohnung aus einem Körbchen mitnehmen.
Das Leben von Adolf Eichmann war das Thema des Vortrags von Piet Hartmann, Schüler der Alten Landesschule. Er verbindet das Porträt mit der Entstehungsgeschichte des Nationalsozialismus und fügt dabei auch die Biografie von Hermann Krumey ein, dem Waldecker Kreistagsabgeordneten, der neben Eichmann als Manager der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie in die Geschichte einging.
Die aufwendige Präsentation von Enrico di Stefano von der Schule an der Warte in Sachsenhausen zeigte am Beispiel des italienischen Spielfilms „Das Leben ist schön“ und der deutschen Buchverfilmung „Nackt unter Wölfen“, wie unterschiedlich die filmische Aufarbeitung des Holocausts nach den Kriegsjahren war. Roberto Benigni, der italienische Regisseur, schrieb nach den Erzählungen seines Vaters eine ernste Komödie. Die Verfilmung des Romans von Bruno Apitz dagegen ist geprägt von seinen persönlichen Erlebnissen im KZ.
Finja Gräbe, Schülerin der Alten Landesschule, erinnerte schließlich an Breitenau, das ehemalige KZ, das schon 1933 eingerichtet wurde, vier Monate nach der „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“. Sie zeichnete den langen Weg bis in die 1980er Jahre zur heutigen Gedenkstätte.
Musikalisch begleitet wurde die feierliche Verabschiedung am Klavier von Josel Strauch. Großen Applaus erntete der junge Pianist, der mit Stücken von Chopin, Tschaikowsky und Isaac Albeniz nicht nur Musikkenner im Publikum begeisterte. Der 19-Jährige war Sieger im Landeswettbewerb von „Jugend musiziert“ und schreibt jetzt an einem Orchesterarrangement für ein Solokonzert. In der Synagoge spielte er zum zweiten Mal und freut sich schon darauf, bald wieder zukommen.