Samstag, 11. November 2023, Waldeckische Landeszeitung / Landkreis
Christen an der Seite Israels
Mit Friedensgebet und Gedenkfeier wird in Vöhl jüdischer Opfer gedacht
VON KARL-HERMANN VÖLKER
Vöhl – Der grausame Angriff der Hamas auf Israel, die verschleppten jüdischen Geiseln und der daraus entstandene Krieg gegen Hamas mit vielen zivilen Opfern auf palästinensischer Seite überschattete in dieser Woche auch in Waldeck-Frankenberg das Gedenken an die Reichspogromnacht der Nationalsozialisten vor 85 Jahren. In Vöhl, wo an 72 verschleppte und ermordete Mitbewohner erinnert wurde, griff bei einem Friedensgottesdienst in der Martinskirche in seiner Predigt Pfarrer Jan Friedrich Eisenberg diese „humanitäre Katastrophe“ auf, ging auf die historischen Ursachen seit 1948 für den Israel-Palästina-Konflikt ein und betonte die Verpflichtung von Christen, an der Seite von Israel zu stehen, um eine Wiederholung der Nazi-Barbarei zu verhindern.
Das bedeute auch, dass man Israel kritisieren dürfe für seine harsche und expansive Siedlungspolitik. „Aber wir müssen einen scharfen Trennstrich ziehen zwischen berechtigter Kritik an der israelischen Besatzungspolitik im Westjordanland einerseits und andererseits einem Antizionismus, der Israel das Existenzrecht abspricht,“ forderte Eisenberg. „Dazu gehört auch, dass wir heute denjenigen Menschen entgegentreten, die meinen, Israel dürfe sich nicht gegen seine Todfeinde wehren.“
Christen hätten die Pflicht, jeder Art von Antisemitismus entgegenzuwirken, „egal ob von links oder rechts, weil es sowohl unsren weltlichen moralischen Überzeugungen entspricht als auch unserer biblisch-christlichen Glaubensgrundlage“, sagte der Theologe. In sein anschließendes Friedensgebet schloss Vikar Jan Homann alle Opfer von Kriegen, Terror und Gewalt, damals wie heute, ein.
Niedergelegte Steine, „nach jüdischem Ritus Zeichen der Ehrerbietung auf den Gräbern der Toten und Kerzen als Zeichen der Hoffnung“, so leitete Pfarrer i. R. Günter Maier (Marienhagen) das anschließende Opfergedenken ein. Während die Namen von 72 Vöhler in der Nazi-Zeit ermordeten Frauen, Männern und Kindern verlesen wurden, zündeten Jugendliche für jeden von ihnen eine Kerze an.
Beispielhaft schilderte Karl-Heinz Stadtler, Vorsitzender des Förderkreises Synagoge Vöhl, das Schicksal von Helene Kugelmann, die 1938 bereits in das rettende Palästina emigriert war. Weil sie noch einmal ihre Tochter Ruth mit Enkelkind in Amsterdam sehen wollte, wurde sie dort inhaftiert und nach Auschwitz verschleppt.
Ausdrucksstarke Musik mit israelischen Wurzeln, getragen von dem Flötentrio Sahra Küpfer, Evelyn Friesen und Josina Schütz sowie den Volkmarser „Harmonist:innen“ mit Yvonne Schmidt-Volkwein, Anne Petrossow und Renate Walprecht, begleitete die Gedenkstunde. Sie schloss mit dem jüdischen Lobpreisgebet „Kaddisch“, vorgetragen von Pfarrer Maier und auf Aramäisch gesungen von Sahra Küpfer.