Donnerstag, 09. November 2023, Waldeckische Landeszeitung / Lokales
Die „Scheinehe“ der Rothschilds hielt lebenslang
Die im Kibbuz Grüsen wohnenden Praktikanten wurden bis 1938 von der Geheimen Staatspolizei lückenlos überwacht. Weil sie aus Sicht des NS-Rassenprogramms auswanderungsbereit waren, überlebten viele von ihnen den millionenfachen Massenmord an der verbliebenen jüdischen Bevölkerung.
Es gab immer wieder Rückmeldungen und Begegnungen mit Grüsener Überlebenden, so etwa mit Richard Rothschild, 1905 in Vöhl geboren. Er arbeitete 1934 als Praktikant in der Hachschara und lernte dort Gerda Westfeld aus Köln kennen. Ihre als Scheinehe gedachte Verbindung, von Lehrer Goldwein aus Korbach vollzogen, hielt lebenslang.
Richard und Gerda Rothschild nahmen 2000 beim Wiedersehenstreffen ehemaliger Vöhler Juden teil. In der ehemaligen Synagoge trafen sie auch mit Ruth Zur (1922-2009) aus Gemünden zusammen, deren Großvater Israel Andorn in Grüsen zu den jüdischen Ausbildern gehörte, die die jungen Zionisten in die Landwirtschaft einarbeiteten. Ruth Zur, die ihr Leben lang ihrem Heimatort trotz aller früheren NS-Demütigungen die Treue hielt, berichtete damals von ihrem eignen Rettungsweg nach Palästina über eine Hachschara in Hamburg: „Auch junge Mädchen mussten dort im Lager hart sein. Weinen war verboten.“
Als Richard Rothschild 2005 in Asseret seinen 100. Geburtstag feierte, besuchten ihn Mitglieder des Förderkreises Synagoge Vöhl in Israel, bevor er wenige Monate später nach seiner Ehefrau starb.
Ernst Laske Überlebender in Tel Aviv
Einer der Grüsener Kibbuz-Leiter war Ernst Laske (1915-2004). Bei dem Pogromüberfall am 10. November 1938 wurde er von den Nazis so schwer zusammengeschlagen, dass er auf einem Auge fast erblindete. Er konnte sich nach Freilassung aus dem KZ Buchenwald über Dänemark und Schweden nach Palästina retten, wo er später in Tel Aviv das berühmte Antiquariat „Landsberger“ führte, darunter auch die wenigen geretteten Bücher-Schätze seines Vaters. zve