Montag, 15. Juli 2024, Waldeckische Landeszeitung / Landkreis
Ein bewegender Abend der Begegnung
Initiativen zur Erinnerung an jüdisches Leben bauen Brücken – Ausländische Gäste loben Arbeit des Förderkreises
VON HANS PETER OSTERHOLD

Vöhl – Einen berührenden Begegnungsabend anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Förderkreises der ehemaligen Synagoge Vöhl erlebten internationale Gäste und Vereinsmitglieder zusammen mit Regierungspräsident Mark Weinmeister am vergangenen Donnerstag.
Im Flair-Hotel in Nieder-Werbe begrüßte der Vorsitzende Karl-Heinz Stadler 15 Gäste, die aus vielen Teilen der Welt, vornehmlich aus den USA und Israel, angereist waren und die jüdische Wurzeln in Vöhl haben, sowie Mitglieder des Fördervereins. Die Arbeit und das Engagement des Förderkreises hat sie alle zusammengeführt, ein internationales Netzwerk geschaffen und bewirkt, dass sich alle emotional mit der Heimat ihrer Vorfahren eng verbunden fühlen, was sie auch im Verlauf des Abends wiederholt eindrücklich zum Ausdruck brachten. Über Jahre sind nicht nur persönliche Kontakte entstanden, sondern tiefe Freundschaften und der Wunsch, sich zumindest gelegentlich an dem Ort wiederzutreffen, der sie mit der Geschichte der eigenen Familie verbindet. Jeder durfte an diesem Abend seinen Wortbeitrag dazu leisten, die meisten in englischer Sprache.
Großfamilie Baird war mit neun Personen aus den USA angereist und hat schon über viele Jahre Kontakt zum Förderkreis. Die Senioren, deren Söhne und die Enkel sind dabei. Steven Baird lobte die großartige Leistung des Förderkreises bei der Aufarbeitung des deutschen Unrechts der Nazizeit. Es gebe keine Nation ohne Schuld. Auch die amerikanische habe bei Sklaven und Indianern große Schuld auf sich geladen, ohne allerdings eine Aufarbeitung zu leisten wie Deutschland: „Wir können von euch lernen“. Ehefrau Carol stimmte ihm zu. Die Großmutter der Gynäkologin wurde in Vöhl geboren und konnte rechtzeitig fliehen. „Das ist heute ein anderes Deutschland“, sagte sie. Sohn Geoffrey war als Kind das erste Mal in Vöhl und studierte danach in Berlin. „Ich fühle mich wie ein Vöhler“, sagte er schmunzelnd. Sein Sohn Flynn studiert in Michigan und macht derzeit ein Praktikum bei Porsche in Stuttgart. „Das ist die beste Zeit in meinem Leben“, ist sein Kommentar, und er plant, nach dem Studium in Deutschland zu leben und zu arbeiten.
Viele Einzelschicksale und Familiengeschichten wurden an diesem Abend ausgetauscht, und manchmal gab es auch ein paar Tränen.
Michael Dimor lebt in Israel und hat vor Jahren in Vöhl das erste Mal etwas über die Hintergründe seiner jüdischen Familie erfahren. „Meine Mutter sprach darüber nicht.“ Er hat ein Buch über die Familiengeschichte geschrieben. Auch andere bestätigen, dass sie oft lange nichts über ihre jüdischen Wurzeln wussten und erst durch die Kontakte nach Vöhl davon erfuhren. Sie sind äußerst dankbar dafür, ihre Vergangenheit verstehen zu können und fühlen eine starke Nähe zu dem Ort und den Menschen – so etwas wie Heimat oder Zuhause.
Regierungspräsident Mark Weinmeister wies auf einige Initiativen von Synagogen und ehemaligen Synagogen in der Region. Ernst Klein aus Volkmarsen betonte die wichtige Funktion dieser Arbeit und auch der des Förderkreises – Brücken zu bauen.