30.4.2018, Dichterin Mascha Kaléko

 
Paula Quast: Ihr gelang in der Synagoge Vöhl ein facettenreiches Portrait der Dichterin Mascha Kaléko. Fotos: Karl-Hermann Völker
NewsSuite
Karl-hermann Völker

Von Karl-Hermann Völker

Vöhl. Das gibt es: Menschen, denen ihre Heimatlosigkeit schon in die Wiege gelegt ist. Mascha Kaléko (1907-1957) zum Beispiel, die nach den frühen Erfolgen mit ihrer Dichtung in der Tradition Heines und Tucholskys von den Nazis zur Aufgabe ihrer Heimat und ihrer Karriere gezwungen wurde. Sie gilt als eine der großen deutschen Dichterinnen, geriet aber nach dem zweiten Weltkrieg in Vergessenheit, bis sie von der Hamburger Schauspielerin Paula Quast 1996 wiederentdeckt und auf deutsche Bühnen geholt wurde.

Zusammen mit dem Musiker Henry Altmann widmete die Schauspielerin Mascha Kaléko in der stilvollen Atmosphäre der alten Synagoge Vöhl am Wochenende eine anrührende Hommage, bei der Lebensstationen der Dichterin mit liebevoll-melancholischen Kindheitserinnerungen, Berliner Schnoddrigkeit, dem „harten Brot des Exils“ in Amerika und der Vereinsamung in Israel aufleuchteten.

Wirkkraft von Pausen

Wie oft sie ihr „Bündel schnüren“ musste, beschrieb Mascha Kaléko in ihrem Gedicht „Sie sprechen von mir nur leise… Ich bleibe der Fremde im Dorf“, das Paula Quast zu Beginn als Motto über den Rezitationsabend in Vöhl stellte.

Die aus einer russisch-jüdischen Familie stammende Mascha Kaléko lebte in ihrer Kindheit von 1916 bis 1918 in Marburg/Lahn, dann in Berlin. Neben einer Sekretärinnen-Ausbildung und Büroarbeit für die jüdische Gemeinde besuchte sie Abendkurse in Philosophie an der Humboldt-Universität und veröffentlichte mit 22 erfolgreich ihre ersten Gedichte. Ihr Gedichtband „Das lyrische Stenogrammheft“ wurde 1933 ein Riesenerfolg. Paula Quast zeichnete mit klaren Wortlinien, sparsamer Gestik und der Wirkkraft von Pausen eine Silhouette der Lyrikerin, die sich von Gedicht zu Gedicht mit mehr Leben füllte.

Erinnerungen an die Kindheit als „fernes Geläut“, „Weinen als Lebensgefühl“, die Erkenntnis in der Nazi-Zeit, „dass ihr Traum von Deutschland ein Irrtum war“, „Geküsst wurde nur auf dem Bahnhof“, das Wiedersehen mit der Bleibtreustraße in Berlin noch einmal kurz vor ihrem Tod („Hier besuchten mich meine Freunde und die Gestapo“) - Paula Quast verstand es faszinierend, die Ambivalenz zwischen lyrischem Lebensgefühl der Dichterin und zeitgeschichtlichem Hintergrund sichtbar zu machen.

Sensibel abgestimmt

Henry Altmann, musikalisches Multitalent und genialer Improvisator mit Kontrabass, Tenorhorn, Glockenspiel und winziger Mundharmonika lieferte den musikalischen Pulsschlag für dieses lyrische Lebensbild, mal unerbittlich wie der Takt des Metronoms („Ein kleiner Mann stirbt“), immer aber sensibel auf die Sprechtexte abgestimmt.

Es gab für ihn wie für Paula Quast am Ende herzlichen Beifall des Publikums und den Dank von Barbara Küpfer für den Förderkreis Alte Synagoge Vöhl.

Noch eine musizierte mit: Etwa eine Stunde lang sang vor dem Synagogenfenster eine Amsel ihr Abendlied.

Henry Altmann: Seinem Kontrabass entlockte er verblüffende Klangfarben und Rhythmen, fein abgestimmt auf die Lyrik.
NewsSuite
Karl-Hermann Völker
Wir benutzen Cookies
Diese Website nutzt Cookies. Diese sind zum Teil technisch notwendig, zum Teil verbessern sie die Bedienung. Sie können entscheiden, ob sie dies zulassen. Bei Ablehnung sind manche Funktionen der Website nicht zu nutzen.