Vöhl – „Eine Frage hören wir jeden Tag“. Joonas Widenius schaut von seiner Gitarre hoch und lacht. „Finnland und Flamenco. Passt das zusammen? Egal wo wir sind. Selbst in Finnland sind die Menschen immer noch erstaunt, aber auch neugierig und interessiert, wenn sie hören welche Musik wir machen. Für uns selbst ist der Flamenco längst ein Teil unserer Identität geworden.“

Ursprünglich war der Flamenco-Gesang unbegleitet und nur von Tönen unterstützt, die man mit dem Körper erzeugen kann. Man klatschte in die Hände, stampfte mit den Füßen oder schnipste mit den Fingern. Dann wurde es üblich, die Sängerin mit der Gitarre zu begleiten. Immer mehr aber lösten sich die Flamenco-Gitarristen von dieser reinen Begleitfunktion und entwickelten den Flamenco zu einer virtuosen, eigenständigen Musik.

Seit gut 20 Jahren stehen Anna Murtola und Joonas Widenius gemeinsam auf der Bühne. Von Beginn an spürt der Zuschauer in der Synagoge, dass tiefe musikalische Verständnis der beiden Musiker. Es scheint als seien sie mit ihrem Rhythmus und ihren Interpretationen in einem intensiven musikalischen Dialog und vermieden jedes Klischee.

Nach einem beeindruckenden und hochklassigen Gitarrensolo von Joonas Widenius betritt Anna Murtola die Bühne. Sie trägt ein schwarzes Kleid, ist zurückhaltend geschminkt und füllt mit ihrer Stimme sofort den Raum. Ihre Bewegungen sind klein. Sie hebt ihr Kinn, strafft die Schultern, das Händeklatschen und die typische Fußtechnik, der Zapateo, helfen, im Rhythmus zu bleiben. Sie verlässt sich auf ihre Stimme, die die kleine Synagoge bis in die hinterste Ecke ausfüllt, aber nie überfordert.

Sie singt von Liebe und Kummer, Trauer und Tod, von Vergänglichkeit und Erinnerung, von der Natur und Erinnerungsorten. Zu jedem Song erzählt sie zum besseren Verständnis eine kurze Geschichte. Man muss als Zuhörer nicht alles verstehen, denn in ihrer Stimme spiegelt sich die Mischung all dieser Lebensgefühle.

Die Gitarre bleibt mal im Hintergrund, drängt sich dann nach vorn und übernimmt den Gesang. Es ist die perfekte Kommunikation zweier Künstler, die in der eigentlich fremden Gesangskultur auch ihre eigenen musikalischen Wurzeln wieder finden.

Es gelingt ihnen, traditionelle finnische Lieder mit dem Flamenco zu kombinieren. Ohne die direkte Übersetzung des Originals und mit musikalischer Interpretation entsteht so eine Verbindung zweier unterschiedlicher Kulturen, die sogar die finnische Sprache romantisch und poetisch erscheinen lässt.

Das Publikum in der Synagoge ist begeistert, nimmt neben der Musik des Duos auch das leise „Gespräch“ untereinander mit den Augen, den Gesten, der Körperhaltung und ihrem Lächeln wahr. – Zurück zum Einstieg: „Finnland und Flamenco. Passt das zusammen?“ Diese Frage wird nach dem Konzert niemand mehr stellen. Jeder hat erfahren, es passt perfekt.