Leidenschaft des Bewahrens trieb ihn an
Oberdenkmalpfleger Prof. Dr. Michael Neumann verstarb 55-jährig in Marburg

Marburg/Frankenberg. Vor vier Monaten konnte er noch in Bad Arolsen die Christian-Rauch-Plakette für seine besonderen konservatorischen Verdienste um die Barockstadt und ihre historische Bausubstanz entgegen nehmen. Diese Würdigung im vorbildlich sanierten Schreiberschen Haus erfüllte Professor Dr. Michael Neumann, der bereits von einer schweren Krankheit gezeichnet war, mit großem Stolz. Es sollte sein letzter Besuch in dem von ihm seit 1979 betreuten Landkreis Waldeck-Frankenberg werden: In dieser Woche erlag der Oberdenkmalpfleger in Marburg seinem Leiden im Alter von 55 Jahren.


Mit ganzem Herzen:
Ob gotische Kirche, Residenzschloss

oder einfacher Barockstein im Burgwald
- stets war Professor Dr. Michael Neumann
zupackend und mit ganzem Herzen bei
"seinen" Denkmälern vor Ort. FOTO: VÖLKER

Michael Neumann wurde 1947 in Bad Sooden-Allendorf geboren, wuchs in Frankfurt auf und studierte Architektur an der TU Hannover. 1979 zog es nach mehreren Auslandsaufenthalten den, wie er sich empfand, "Frankfurter Bub" Michael Neumann wieder nach Hessen. Er wurde auf Vorschlag von Professor Dr. Gottfried Kiesow Konservator am Hessischen Landesdenkmalamt in Marburg, seit 1991 Oberkonservator mit Zuständigkeit auch für Marburg-Biedenkopf.

Seine Beschäftigung mit dem baulichen Erbe in mehr als zwanzigjähriger Tätigkeit als praktischer Denkmalpfleger, die er im klassischen Selbstverständnis des universal gebildeten Bezirkskonservators ausübte, führte bei ihm zu einem Schatz weit gespannter bau- und kunsthistorischer Kenntnisse, die er als Lehrbeauftragter und seit 1999 als Honorarprofessor der Universität Marburg auch gern an Studenten weiter gab. Seine zahlreichen Publikationen, darunter viele Aufsätze über Waldeck-Frankenberg und das Hinterland, belegen seine fundierten kunsthistorischen Kenntnisse und sein sensibles Gespür für Natur und Architektur.

Nach anfänglich drohender Flächensanierung gab Michael Neumann der Altstadtsanierung in Frankenberg neue Richtungsweisung und eine verlässliche Kontinuität in der denkmalpflegerischen Betreuung. Zu seinen konservatorischen Erfolgen gehören die großen Sanierungen der Baudenkmäler in Haina/Kloster und Bad Arolsen, wo er 1986 zu den Initiatoren der erfolgreichen Barockfestspiele gehörte. Daneben betreute er mit Rat und persönlichem Engagement zahlreiche städtebauliche Planungen, Dorferneuerungen, viele Kirchensanierungen, die Erhaltung technischer Denkmale oder auch einfacher, aber ortsbildprägender Fachwerkhäuser. Er begleitete die Restaurierung der großen gotischen Altäre, die in Waldecker Kirchen den Bildersturm überdauerten, und einer seiner letzten kunsthistorischen Aufsätze galt dem 600-jährigen Altarkunstwerk des Conrad von Soest in Bad Wildungen.

Professor Neumann war angetrieben von der "Leidenschaft des Bewahrens" für die von ihm als wertvoll erachteten Baudenkmäler unserer Region. Dabei scheute er nicht den Konflikt mit Kommunen oder privaten Bauherren. Er war aber stets auch zu Gesprächen und Kompromissen bereit, schlug neue Funktionen und Lebensbezüge für längst totgesagte Gebäude vor. Mit Fröhlichkeit und Optimismus ging er bei seinen ausgedehnten Fahrten durch den Landkreis auf die Menschen zu, auch wenn er sich manchmal als "Einzelkämpfer" gegenüber zerstörungsähnlichen Eingriffen in Landschaft und Architektur fühlte. Viele großartige wie auch unscheinbare Baudenkmäler in Waldeck-Frankenberg werden an die konservatorische Weitsicht von Michael Neumann erinnern.

Karl-Hermann Völker

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